Knochen

Samstag, 30. August 2014

Der Wildschwein - Unterkiefer: des Rätsels Lösung

Vor ziemlich genau zwei Jahren hatte ich im Wald einen Wildschwein - Unterkiefer gefunden. Ich habe hier schon darüber erzählt.

Nun blieb ja noch das Rätsel um den unpassenden Zahnstatus zu lösen. In Verbindung mit der geringen Größe des Kiefers lag die Vermutung nahe, daß ich es hier mit einem Jungtier zu tun und in dem Gebiss ein vollständiges oder im Wechsel begriffenes Milchgebiss vor mir habe.
Stellte sich natürlich als nächstes die Frage, wie und wann denn bei Wildschweinen der Zahnwechsel vor sich geht und ob sich hier anhand des Zahnwechsels genauso gut das Alter bestimmen lässt, wie zum Beispiel beim Menschen? Was gleich weiter zur Frage führt, wie alt das Tier zum Zeitpunkt des Todes gewesen sein könnte.
Außerdem, wie stehts eigentlich mit der Möglichkeit anhand der Zähne Rückschlüsse auf das Geschlecht zu ziehen?

Um die Fragen zu beantworten fehlten mir natürlich Informationen also habe ich recherchiert und fand die Dissertation von Steffi Wittmann aus dem Jahr 2004, die sich mit der Altersbeurteilung bei Wildschweinen mit Hilfe von Merkmalen an den Zähnen beschäftigt.
Obwohl sich die Arbeit schwerpunktmäßig mit der Altersbestimmung anhand von Abrasion und Zahngrössen bei Tieren die älter als zwei Jahre sind, beschäftigt, geht sie auch auf den Zahnwechsel ein. Auf Basis der dort zusammengefassten Informationen habe ich nun meinen Unterkiefer nochmal genauer unter die Lupe genommen.

Allgemein zum Zahnwechsel bei Wildschweinen gibt Wittmann unter Bezugnahme auf diverse andere Autoren an, daß das vollständige Milchgebiss eines Wildschweins insgesamt 28 Zähne hat und im Alter von 3,5 Monaten vollständig vorhanden ist.

Zahnformel Milchgebiss: 3I 1C 3P pro Kieferhälfte oben wie unten..

Das bleibende Gebiss wird mit 44 Zähnen mit der Zahnformel 3I 1C 4P 3M pro Kieferhälfte oben wie unten beschrieben, wobei die C bei Keilern deutlich größer sind, als bei Bachen.(von Ausnahmen und Fehlbildungen mal abgesehen). (sagt z.B. auch der berühmte Brohmer)

Wittmann fasst den Ablauf des Zahnwechsels folgendermassen zusammen:

*4-6 Monate / 6-8 Monate (je nach Quelle):
Durchbruch von M1

* 6-7 Monate: Durchbruch von P1
(es ist also so, daß P2 - P4 als Milchzähne vorhanden sind und später durch bleibende Prämolare ersetzt werden, während P1 erst als Teil des bleibenden Gebisses auftaucht)

*10 Monate: Ersatz der Milcheckzähne (C)

*12 - 14 Monate: Durchbruch von M2

...
Ich erspare mir jetzt mal den Rest, weil das meinen Kiefer nicht mehr betrifft, wie wir gleich sehen werden. Kann man ja bei Interesse im Original nachlesen.
Abgeschlossen ist der Zahnwechsel laut Wittmann dann jedenfalls mit ungefähr 27 Monaten und ab da wird eine Altersschätzung schwieriger, während sie bei Tieren bis 2 Jahren die Altersschätzung aufgrund des Zahnwechsels als zuverlässige Methode beschreibt.
Soweit zum Quellenstudium.


Mandibula_uebersicht
Der Unterkiefer im Überblick


Mein Unterkiefer hatte ursprünglich insgesamt 18 Zähne.
Beide I1 sind jetzt noch vorhanden.
I1, I2, I3 und C müssen zum Todeszeitpunkt voll ausgeprägt vorhanden gewesen sein. (Weiss ich, weil ich I2 und I3 selber verbummelt habe.) Die Schneidezähne lagen um den Kiefer am Fundort verstreut und passten perfekt an ihre Plätze.
Die C fehlten beim Auffinden. Weil die Alveolen aber genauso tief und scharfkantig wie die der I sind, dürften auch diese Zähne erst nach dem Tod verloren gegangen sein. Die Milcheckzähne waren, der Größe der Alvoelen nach zu urteilen, eher klein.
Mandibula-Zaehne
Die Zähne mit Beschriftung, (M2) zeigt die Öffnung die bereits für den Durchbruch von M2 vorgesehen gewesen war.

P1 ist im Durchbruch begriffen.

Mandibula-P1
Hier sieht man P1 und wie knapp er aus dem Kiefer ragt. Man kann hier auch gut erkennen, wie klein das Zahnfach von C ist.


P2,3 und4 vorhanden und M1 vollständig durchgebrochen.
Im Anschluss an M1 hat der Kiefer beidseitig je eine schlitzförmige Öffnung von ca. 7 mm Länge und 1,5 mm Breite, - die Öffnungen, durch die sich die M2 als nächstes auf den Weg nach draussen gemacht hätten.
Durch ein durch Tierfrass entstandenes Loch, etwa 1,5 cm unterhalb dieser Öffnung auf der linken Kieferseite sieht man zwei Zahnkeime im Kiefer liegen, - offensichtlich die Keime der M2 und M3.

Anhand der vorliegenden Infos interpretiere ich meinen Unterkiefer folgendermaßen:


1. Der Unterkiefer hat bzw. hatte zum Todeszeitpunkt 18 Zähne. Zählt man alle vorhanden gewesenen Zähne plus die 4 noch im Kiefer liegenden Zahnkeime zusammen kommt man auf 22 Zähne im Unterkiefer, was der Zahnformel 3I 1C 4P 3M für ein ausgewachsenes Wildschwein entspricht. Das bestätigt, daß es sich um einen Wildschwein-Unterkiefer handelt (und haut die ohnehin abstruse Hypothese des Försters, daß der Überrest vom Rotwild stammt entgültig vom Tisch)


2. Der Unterkiefer hatte zum Todeszeitpunkt 18 Zähne, -es ist also noch kein Erwachsenengebiss aber auch kein reines Milchgebiss mehr.Das passt auch zur geringen Größe des Knochens.

3. M1 ist vollständig durchgebrochen,- das Tier war mindestens 4 bzw. 6 Monate alt.

4. P1 ist im Durchbruch begriffen, - das Tier war also mindestens 6 Monate alt.

5. Der P1 ist geradeso zu sehen und dürfte im Leben kaum durchs Zahnfleisch geguckt haben.
Die Alveolen der C lassen auf kleine Eckzähne schließen. Von aussen gibts keine Anzeichen, daß die bleibenden Canini irgendwie im Anmarsch gewesen sein könnten. Das Tier war also deutlich jünger, als 10 Monate und sowohl C als auch die I und P2 bis P4 müssen demnach noch Milchzähne sein.
Mein Tip: Das Tier könnte zwischen 6 und 8 Monate alt gewesen sein.

6. Zum Geschlecht: Ja, die C sehen klein aus. Aber macht sich der Unterschied zwischen den Geschlechtern schon so früh bemerkbar? Da fehlt mir der Vergleich und ich weiss zu wenig. Da werde ich noch weiter recherchieren müssen.
Soweit erstmal bis dahin.


**Alveolen = Zahnfächer
Abkürzungen:
I= Incisivi (Schneidezähne)
P= Premolares (Vor - Mahlzähne)
M= Molares (Mahlzähne)

Sonntag, 29. Juni 2014

Diverse Überlegungen zu Wildschweinschädeln

Das ist ganz furchtbar, - man wird immer so leicht abgelenkt. Eigentlich schreibe ich gerade wieder ein Protokoll zu einer zoologischen Exkursion, da wollt ich nur mal schnell im Garten nach einem Regenwurm als Fotomodell (fürs Protokoll) suchen, fand aber keinen. Stattdessen stolperte ich über einen neuen Bewohner meiner kleinen Bodyfarm: ein junges Vögelchen was aus dem Nest gefallen und schon seit eingen Tagen tot sein muss. Die darin lebenden Käferlarven habe ich fotografiert um sie später zu bestimmen, Kamera hatte ich ja zur Hand. Das Tierchen kam an einen hundesicheren Platz im Garten, wo auch schon ein Rehbein (im Wald gefunden, - nicht selbst abgeschnitten!)vor sich hinsäubert.
...Ähmja und dann las ich Frau Araxes Kommentar zum Wildschweinschädel und sah ihren enormen Wildschweinunterkiefer. Ich befinde mich ja hier mit Lu und Frau Araxe in der angenehmen und höchst unterhaltsamen Gesellschaft von begeisterten Knochensammlerinnen und da Wildschweine hierzulande nunmal ziemlich verbreitet sind hat jede von uns schon das ein oder andere knöcherne Accessoir von Sus scrofa zu Hause.
Jedenfalls hat mich Frau Araxes Unterkiefer (also der des Schweins) von der Form her an einen Unterkiefer erinnert, den ich vor ungefähr zwei Jahren hier im Wald gefunden hatte und von dem ein Förster mir gesagt hatte der wäre von Rotwild.
Der Unterkiefer ist mit 16 cm Länge ziemlich klein (für ein Schwein) aber für Rotwild hat er einfach die falschen Zähne. Rotwild hat keine höckerigen Molaren, sondern diese Schmelzfalten.

Das ist nämlich so: Der Zahn von Pflanzenfressern wie z.B. Rehen und Hirschen ist nicht wie bei uns von Schmelz überzogen, sondern von Zement. Im Inneren des Zahns befindet sich eine Schmelzschicht. Zahnschmelz ist extrem hart, Zement ist weicher und kaut sich mit der Zeit ab. Bei älteren Tieren, die schon viel gekaut haben, kommt der Schmelz als Schmelzleisten zum Vorschein. Der Zement wird immer weiter abgetragen, währen die Schmelzleisten als erhabene scharfe Kanten zurückbleiben. Das ist so eine Art Selbstschleifmechanismus. Pflanzenmaterialien sind ja ziemlich zäh und so ist garantiert, daß die Zähne der Tiere ein Leben lang scharf genug bleiben, um, festes Pflanzenmaterial effektiv zerkleinern zu können. Ich habe übrigens auch Unterkieferteile, von denen ich mir sicher bin, daß sie vom Rotwild stammen.
So, und die Zähne meines gefundenen Unterkiefers sind komplett von Schmelz überzogen und höckrig (so wie unsere Zähne auch). Es sind Fleisch - oder Allesfresserzähne. Carnivoren scheiden aus, die haben andere Schneidezähne. Wildschwein als Alternative liegt nahe.
ABER:

Weshalb der Förster auf Rotwild tippte (er war gerade hinter einer angeschossenen Sau her und im Stress und hat deswegen vermutlich nicht so genau hingeguckt): die Anzahl der Molaren stimmt nicht mit der eines ausgewachsenen Wildschweins überein.
Mein Unterkiefer hat die Zahnformel 3142, wenn ich den letzten Molaren mitrechne, dessen Zahnkeim man noch im Kiefer liegen sehen kann.
Wildschweine haben aber 3143, - fehlt also ein Molare.
Jetzt hatte Lu ja neulich auch einen Schweineschädel gefunden, den sie ziemlich klein fand und sie vermutet, daß es ein Jungtier sein könnte.
Frau Araxes Unterkiefer scheint demgegenüber recht groß zu sein und nach allem was man auf dem Foto sehen kann könnte die Zahnformel exakt hinkommen.
Da kam mir nun der Gedanke (auf den ich eigentlich auch schon früher hätte kommen können): Große Schädel - Erwachsene Tiere, - Kleine Schädel - Jungtiere:
Gibt es bei Schweinen eigentlich einen Zahnwechsel?! (Das Milchgebiss eines Menschen hat ja schließlich auch weniger Zähne als das bleibende Gebiss)

Antwort: Ja gibt es.
Hier gibts was zur Altersbestimmung von Wildschweinen anhand der Zähne zu lesen.

... das werde ich tun und dann ist vielleicht auch das Geheimnis meines mysteriösen Unterkiefers gelüftet.

Montag, 23. Juni 2014

Mein neuestes Prachtstück

Naja so neu ist er dann auch nicht mehr. Ich habe ihn schon Anfang April an einem Flussufer gefunden.
So gut wie keine Bissspuren also fast verschohnt von Aasfressern und trotzdem schön sauber.

Schaedel1
Schädel, Wildschwein

Man beachte das wunderbar erhaltene Nasenbein samt vollständigem Oberkiefer mit allen Molaren und sogar noch einem Caninus, die Incisivi fehlen leider, aber das sind auch die, die leider immer zuerst ausfallen wenn der Schädel skelettiert.

Angeregte Unterhaltung

Du solltest bei den Soßen...
Du solltest bei den Soßen die Schwefelsäure weglassen....
Lu Ping - 3. Nov, 23:11
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Ja, ich finde auch, dass man immer die positiven Aspekte...
Zia - 3. Nov, 14:48
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Lu Ping - 2. Nov, 19:09
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Zia - 2. Nov, 13:40
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Ich habe früher eben einfach gern gekokelt. Da bleiben...
Lu Ping - 1. Nov, 23:55
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Zia - 1. Nov, 19:57

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